Reisebericht Estland

Die Überfahrt auf der riesigen Fähre dauert nur 2,5 Stunden. Wieder bleibe ich während der Fahrt in der Henriette, um unseren Jungs zu beruhigen. Gleich ein paar Meter vom Hafen entfernt findet sich ein genialer Stellplatz auf einer kleinen Wiese für 2,– Euro für 24 Stunden – einfach perfekt. Wir laufen in 10 Minuten zur Altstadt und sind am Staunen: das ist wirklich die schönste Altstadt, die wir je gesehen haben. Alles ist liebevoll restauriert und gepflegt, wir fühlen uns direkt ins Mittelalter versetzt. Nach dem ersten Bummel durch die Gässchen gönnen wir uns – das erste Mal seit wir unterwegs sind – einen richtigen Restaurantbesuch. Die Esten sind absolut hundefreundlich, unsere 2 werden gestreichelt, geherzt und bekommen das beste Wasser vorgesetzt. Das Essen ist lecker, ebenso das Bier und der Wein. Und das tollste daran ist, dass wir danach nicht bankrott sind.

Der Wettergott meint es besonders gut mit uns, heute können wir Tallin bei 22 Grad im T-Shirt entdecken. An jeder Ecke findet sich ein tolles Fotomotiv, da gibt es so schöne Gebäude, Kirchen, Stadtmauer, Türmchen und ganz viele nette Lädchen.

Nachmittags kommen wir in den moderneren Teil der Stadt: in die Telliskivi Creative City. Hier wurden alte Fabrikgebäude modernisiert und es hat sich eine alternative, kreative, coole Szene entwickelt. Man findet interessante und besondere Geschäfte und Gastronomie, Künstlerwerkstätten, Galerien und Museen. Wir dürfen – sogar mit den Hunden, sie werden hier wieder totgestreichelt ☺- ein Containerhotel anschauen, das in einer alten Fabrikhalle untergebracht ist – richtig tolle Ideen kann man hier sehen.

Ausnahmsweise kommen wir auch in ein Museum (selbst hier sind Hunde nicht verboten) hinein, so besuchen wir eine richtig beeindruckende Fotoausstellung.

Am Abend fotografiert Hans-Peter selbst, ausgerüstet mit seinem Stativ, die wunderschöne Altstadt. Und, kaum zu glauben, auch am 2. Abend in Tallin genießen wir es, in einem Restaurant zu essen. Also, Tallin ist ein absoluter Geheimtipp.

Nach so viel Stadt brauchen wir alle ein bisschen Erholung und so entfliehen wir in den estnischen Nationalpark „Lahemaa“. Wieder sind wir beeindruckt: RMK Estland ist das State Forest Management Center, es kümmert sich um die Pflege und Bewirtschaftung des staatlichen Waldes. Und das Besondere am RMK ist, dass sie viel Wert auf die Zugänglichkeit des estnischen Waldes für die Öffentlichkeit legen. So werden Waldwege, Camper Stellplätze zum Freistehen, Feuerstellen mit Holzhüttchen und Zeltplätze angelegt und gepflegt. Die Leute dürfen und sollen das alles kostenfrei nutzen – und wir sehen, dass die Esten das gerne annehmen. Überall wird an den Feuerstellen gegrillt und die Menschen sitzen fröhlich zusammen. Am Abend haben wir Besuch von einem jungen Päärchen mit einem jungen Hund: sie sind total begeistert von unserem Auto und lassen sich auch innendrin alles genau zeigen und erklären. Es ist klar, der junge Mann hat jetzt einen neuen Traum ! Und Quappo träumt die Nacht von dem netten Hundemädchen !

Nachts fängt es an zu regnen – und will den ganzen Tag nicht aufhören. So machen wir ein bisschen Hausarbeit, schreiben den Blog weiter, lesen und trinken Kaffee. Nachmittags fahren wir ein paar Kilometer zum nächsten Stellplatz, immer noch im Nationalpark. Wir haben Glück, der Platz ist schön in den Dünen gelegen und es gibt einen großen Sandstrand. Als wir alle gemütlich im Bett liegen, fängt unser kleiner Quappo an ununterbrochen zu piensen und wir können ihn nicht beruhigen. Am nächsten Tag wissen wir dann, was los war: der Kleine hat Durchfall (er verträgt das finnische Hundefutter wohl nicht). Gefühlt haben wir die Nacht fast gar nicht geschlafen, doch am Morgen lockt die Sonne uns aus dem Bett. In Käsmu, wieder ein paar Kilometer weiter, soll es einen Wanderparkplatz geben – dahin fahren wir jetzt. Die Tour ist 15 Kilometer lang, fast 2/3 des Weges führt an der Küste entlang, der Rest durch den Wald. Das hört sich gut an, wir schlüpfen in die Wanderschuhe und schon gehts los. Die Küste ist sehr malerisch mit den großen Steinen, die wie hingewürfelt im Meer liegen. Auf der ganzen Strecke begegnet uns genau ein weiterer Wanderer, ansonsten sind wir mutterseelenalleine hier unterwegs – sehr entspannt.

Zurück am Auto stärken wir uns kurz mit einem Kaffee und fahren den abendlichen Stellplatz an. Wir kommen an 2 riesigen, herrschaftlichen Gutshöfen vorbei, die vom baltendeutschen Landadel um 1650 erbaut worden sind. Auch eine schöne Mühle findet sich auf dieser Strecke. Der Tag endet – mittlerweile schon sehr früh gegen 19.00 Uhr – mit einem schönen Sonnenuntergang

Diese Nacht schlafen wir alle sehr gut, morgens fühlen wir uns wieder richtig fit. Weiter geht unsere Tour nach Rakvere (früher Wesenberg, benannt durch den deutschen Orden um 1250 erstmals urkundlich erwähnt), dort gibt es eine riesige Burg aus dem 13. Jahrhundert. Angekommen vor den Pforten, müssen wir leider feststellen, dass die Burg montags und dienstags geschlossen hat – und heute ist dummerweise Dienstag !! Also schauen wir uns das mächtige Gebäude nur von außen an, amüsieren uns über das nette WC-Hinweisschild und bewundern den riesengroßen Auerochsen.

Ontika heisst das nächste Ziel: hier soll es die höchsten Steilklippen der Küste geben. Auch hier haben wir ein bisschen Pech: es gibt eine lange Stahltreppe hinunter zum Strand – das Bodengitter der Treppen ist für unsere Hunde nicht machbar, das schneidet in die Pfoten. So bleibt es hier nur bei einem Foto von oben – schade.

Wir entscheiden, noch ein Stückchen weiter zu fahren und landen schließlich in Kauksi. Unser Nachtlager liegt an der Mündung des Flusses Lutsu am Peipussee – der ist lt. Herrn Google 7 mal größer als der Bodensee. Der See ist so riesig, dass wir uns vorkommen, als ob wir weiterhin an der Ostsee sind.

Nach einer sehr ruhigen Nacht bleiben wir weiterhin auf der Uferstraße dieses riesigen Sees. Wir haben gelesen, dass es hier die Dörfer der „Altgläubigen“ gibt, das hat uns neugierig gemacht. Die Altgläubigen sind religiöse Flüchtlinge, die sich den Änderungen der russisch-orthodoxen Kirche widersetzten und im 17. Jahrhundert hier einen Zufluchtsort fanden. Schon die Bauweise der Orte ist interessant: die Häuser liegen alle an der Hauptstraße, die parallel zum See verläuft, somit sind diese Dörfer kilometerlang. Zumeist leben nur noch die Älteren hier, die auch die alten Traditionen pflegen. In den Hausgärten wird alles angepflanzt, was man zum Leben braucht, dazu liefert der fischreichste See Estlands Barsche, Zander, Maränen, Steinbeißer und viele andere leckere Fischsorten. Wir fühlen uns ins letzte Jahrhundert zurückversetzt und sind erstaunt, dass es noch solche Enklaven gibt.

Als nächstes kommen wir nach Tartu, der ältesten und zweitgrößten Stadt Estlands. Gleich finden wir eine Verbindung zu unserer Heimat Erfelden: der Schwedenkönig Gustav Adolf hat erst hier die Universität gegründet, bevor er dann auf dem Kühkopf im Dreißigjährigen Krieg den Rhein überquert hat ! Da fühlen wir uns der Stadt doch gleich verbunden !!! Ein Spaziergang durch die Altstadt führt uns zu dem schiefen Haus (eine Seite des Hauses steht auf der Stadtmauer, die andere auf Pfählen, die sich mit der Zeit gesenkt haben), dem Rathaus, der Universität, der Markthalle und vielen netten Skulpturen. Unser Frodo muss als Fotomodell herhalten – er macht das wie ein Vollprofi. Einer netten Frau gefällt das so gut, dass sie uns fragt, ob sie denn auch ein Foto von Frodo mit der Skulptur machen darf :).

Nachmittags entfliehen wir der „Großstadt“ und finden den nächsten schönen See: den Vörtsjärv. Unser Stellplatz bietet alles, was das Herz begehrt: einen Hundestrand, Feuerstellen, Tische und Bänke, sogar einen Buntspecht können wir bei der Arbeit beobachten. Das Wetter ist richtig sommerlich warm, wir genießen den schönen Sonnenuntergang und das Beste: wir sind ganz alleine hier !

Das Wetter meint es wirklich gut mit uns und so werden neue Pläne geschmiedet: auf unserem Weg liegt ein weiterer Nationalpark „Soomaa“, den wollen wir nun auch noch anschauen. Wir fahren zum Besucherzentrum und besorgen uns eine Wanderkarte. Es kommt uns merkwürdig vor, dass es in diesem riesigen Park nur 5 Wanderwege gibt ? Aber wir erkennen das Problem umgehend: der Nationalpark ist ein riesiges Sumpfgebiet und die Wege sind komplett auf Holzbohlen angelegt. Die Strecke am Besucherzentrum heißt Biberweg, wir sehen auch die ganzen Arbeiten, die die fleißigen kleinen Tierchen ausgeführt haben – aber die Arbeiter haben wohl schon Feierabend gemacht, wir können sie leider nicht sehen.

Später unternehme ich alleine mit den Jungs einen kleinen Waldspaziergang (Hans-Peter macht die monatliche Toilettenreinigung), ein bisschen mulmig ist es mir schon in diesem dunklen Wald. Vorsichtshalber habe ich die Trillerpfeife griffbereit, falls doch mal ein Bär den Weg kreuzen sollte. Auch die Hunde gehen ganz lieb an meiner Seite – ihnen scheint der Wald auch nicht ganz geheuer zu sein. Ich bin echt froh, dass sich Meister Petz nicht blicken lässt !

Nach dem Frühstück und dem obligatorischen Apportiertraining suchen wir den Startpunkt für den Riisa-Trail. Die ganze Strecke von knapp 5 Kilometern laufen wir auf Holzbohlen durch das Sumpfgebiet. Im Frühjahr steht hier wohl alles unter Wasser, nicht auszudenken, wie viele Schnaken dann hier herumschwirren.

Auf der Weiterfahrt nach Pernau kommen wir durch Tori, bekannt ist der Ort durch die hier gezüchteten Pferde: Tori-Pferde sind schwere Warmblüter, die früher vor allem als Kutsch- und Kavalleriepferde eingesetzt wurden. Auch beeindruckend ist die Mitte des 19. Jahrhunderts aus Feldsteinen errichtete Kirche.

Und dann finden wir hier tatsächlich den „Eingang zur Hölle“: am Ufer des Flusses Pärnu sind in dem Sandstein Höhlen und Gänge entstanden, die allerdings immer wieder einstürzen. Um die Höhlen ranken sich viele Legenden, laut einer von ihnen bilden sie die Eingänge zur Hölle. Oberhalb der Steilküste steht die Skulptur „Tori pörgu“: ein kleiner, freundlicher Teufel mit einem Fels auf dem Rücken.

An unserem letzten Tag in Estland gibt der Wettergott noch einmal alles: wir verbringen einen traumhaften Strandtag in Häädemeeste, die Jungs toben und plantschen ausgelassen im Wasser. Auch wir wandern barfuss im Sand.

Unser Stellplatz liegt in einem Kiefernwald, mit Feuerstellen, Tischen und Bänken – alles kostenlos und super gepflegt. Abends grillen wir bei einem spektakulären Sonnenuntergang die letzten Würstchen, wir teilen auch ganz lieb mit unseren beiden Fellnasen.

Wie uns Estland gefallen hat: wirklich sehr, sehr positiv überrascht hat uns Tallin, die Stadt hat uns sofort verzaubert. Auch die Nationalparks, den riesige Peipalsee und die tollen RMK-Stellplätze fanden wir super – also aus unserer Sicht ein richtig schönes Reiseland !

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